Vertrauensbruch. Oder: Was ich als Mutter in der Kinder- und Jugendpsychiatrie erlebte
rebekka-sommer2024-07-21T22:23:54+02:00Vertrauensbruch. Oder: Was ich als Mutter in der Kinder- und Jugendpsychiatrie erlebte Meine Mutter ärgert sich. Über den Pädagogen in der Klinik, der meiner Tochter gesagt hat, ich sei ein wichtiger Teil ihrer Essstörung; ob ich sie vielleicht insgeheim nicht groß werden lassen wolle, weil ich Angst habe, allein zu sein? Als meine Tochter mir davon erzählt, liegt das Gespräch zwischen ihm und ihr schon einige Wochen zurück. Sie hat genug von Klinik, will nach Hause und als ich sie fürs Wochenende abhole, sagt sie: »Die lästern über dich, Mama.« Ich kann es nicht glauben. Der Pädagoge ist so alt wie ich, hat dasselbe Fach studiert wie ich, vielleicht sogar an derselben Hochschule. Wir könnten Freunde sein. Ich kenne ihn nur vom Telefon und halte ihn für nett, aber verpeilt, vielleicht ein bisschen ausgebrannt – der typische Erzieher, der auch mal Fünfe gerade sein lässt und spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. »S3-Leitlinien? Nie gehört«, sagte er mir, als ich darum bat, für die Wochenenden zu Hause einen Essensplan oder wenigstens einen Anhaltspunkt zu kriegen, wie viel meine Tochter essen müsse. »Vielleicht hatte er einfach einen schlechten Tag und klang genervt?« – »Nein, die lästern über dich«, sagt meine Tochter auf dem Beifahrersitz. »Rede dir das nicht schön.« Ich denke: Aber er muss doch merken, dass sie mich täglich anruft und brühwarm aus dem Klinikalltag erzählt? Ich weiß, welche Pädagogin wo tätowiert ist, wer ihr das Handy außer der Regel auch mal früher gibt und dass die Stationsleiterin nicht antwortet, wenn sie fragt, ob sie den Donut wirklich, wirklich aufessen muss: »Ich sage dir höchstens, wenn du mal zu viel isst!« Was machen die da? Paradoxe Intervention vielleicht? Aber meine Tochter ist noch stark im Untergewicht. Genug zu essen ist für sie wesentlich. Und Erwachsene, die ihrer »kranken« Seite klar Paroli bieten. Die miteinander reden, statt übereinander. Ich kann es nicht glauben. Der Pädagoge ist so alt wie ich, hat dasselbe Fach studiert wie ich, vielleicht sogar an derselben Hochschule. Wir könnten Freunde sein. Ich kenne ihn nur vom Telefon und halte ihn für nett, aber verpeilt, vielleicht ein bisschen ausgebrannt – der typische Erzieher, der auch mal Fünfe gerade sein lässt und spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. »S3-Leitlinien? Nie gehört«, sagte er mir, als ich darum bat, für die Wochenenden zu Hause einen Essensplan oder wenigstens einen Anhaltspunkt zu kriegen, wie viel meine Tochter essen müsse. »Vielleicht hatte er einfach einen schlechten Tag und klang genervt?« – »Nein, die lästern über dich«, sagt meine Tochter auf dem Beifahrersitz. »Rede dir das nicht schön.« Ich denke: Aber er muss doch merken, dass sie mich täglich anruft und brühwarm aus dem Klinikalltag erzählt? Ich weiß, welche Pädagogin wo tätowiert ist, wer ihr das Handy außer der Regel auch mal früher gibt und dass die Stationsleiterin nicht antwortet, wenn sie fragt, ob sie den Donut wirklich, wirklich aufessen muss: »Ich sage