Warum bleiben manche Texte hängen und andere nicht?

Sommer 1999, Siebenbürgen: »Rebekka, du wirst in deinem Leben Großes bewirken«, sagte die dicke Rumänin. Sie stand im Feinripp-Unterhemd vor mir im Treppenhaus einer Mietskaserne und kratzte mit einem Fleischermesser am Türrahmen.

Ich war 17. Mein Freund und ich bereisten die Orte seiner Kindheit: Sibiu, Oreada und irgendein Kaff in den Karpaten, wo man uns Maisbrei und Kuttelsuppe servierte. Die große Sonnenfinsternis erlebte ich mit Bauchschmerzen, weil ich wider aller guten Ratschläge Melone vom Marktstand gegessen hatte. Unser ganzes Geld war weg, weil mein Freund sich wider aller guten Ratschläge in ein Hütchenspiel hatte verwickeln lassen. Und trotz aller Widrigkeiten war ich voller Vertrauen in mich, in die Welt und in dicke Rumäninnen, die mir die Zukunft voraussagten. Großes bewirken – ja, das wollte ich!

Bis heute denke ich immer wieder an ihre mystischen Worte. Ob es noch kommt, das Große in meinem Leben? Und was die Frau da wohl vom Türrahmen gekratzt haben mag?

Es gibt Sätze, die bleiben einfach hängen. Werbung will genau das: Berühren. Relevanz erzeugen. Sich unterscheiden, aus dem Alltag hervorstechen.

Die dicke Rumänin traf mich mit ihrer Weissagung zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, bei einem hoch emotionalen Trigger und mit einem packenden Erzähl-Muster (»In dir steckt etwas Großes!«). Sie stellte Beziehung zu mir her, indem sie mich persönlich ansprach, und verstärkte diese Wirkung mit ihrem mystischen, ungewöhnlichen Auftreten.

Wäre die Frau im Treppenhaus eine Onlinekampagne gewesen, sie hätte mir jetzt nur noch ein Whitepaper in die Hand drücken müssen: „10 Schritte, mit denen du zu deiner wahren Größte heranwächst und dein Leben unausweichlich zum Guten lenkst“. Ich hätte bereitwillig meine Kontaktdaten hinterlassen.

Rebekka Sommer

Berufliche Stationen:

  • Texterin und Konzepterin (freiberuflich; März 2020 – heute)

  • Senior Content Managerin bei Alexander Bürkle GmbH, Freiburg (Teilzeit; freiberuflich; September 2020 – Oktober 2021)

  • Texterin und Konzepterin bei qu-int – Marken, Medien, Kommunikation in Freiburg (2017 – 2020)

  • Texterin und Projektmanagerin bei aufwind group – creative solutions, Malterdingen (2014 – 2017)

  • Konzeption des Lehrforschungsprojekts „Journalismus und Soziale Arbeit“ an der Evangelischen Hochschule Freiburg (2014 – 2015), bis heute immer wieder Lehraufträge

  • Wissenschaftliche Assistentin an der FH Nordwestschweiz (2013 – 2014)

  • Freiberufliche Journalistin und Redakteurin bei der Badischen Zeitung, Der Sonntag, Publik Forum und einer Fachzeitschrift für Jugendsozialarbeit (2010 bis 2018)

Studium, Praktika & Weiterbildung

  • Meisterkurs Text 1 & 2 derTexterschmiede, heute Hamburg School of Ideas (2017 & 2019)

  • Studium der Sozialen Arbeit in Freiburg (Master, 2013)

  • Redaktionspraktikum bei Publik Forum, Berlin (2012)

  • Studium der Soziologie in Freiburg und Konstanz (Bachelor, 2008)

  • Praktikum Entwicklungszusammenarbeit, Karl Kübel Stiftung, Bensheim (2005)

  • Praktikum Öffentlichkeitsarbeit, Fahrten Ferne Abenteuer gGmbH, Berlin (2005)

  • Auslandssemester in Coimbatore, Tamil Nadu, 2004

Sechs Dinge über mich:

  • Als Kind habe ich pro Woche oft zehn Bücher gelesen, sogar im Gehen auf dem Schulweg

  • Ich bin nach Indien gereist, bewusst ohne einen Reiseführer gelesen zu haben, weil ich mir selbst ein Bild machen wollte

  • Als Jugendliche bin ich oft in der Stadt umhergestreift und habe Obdachlose, Junkies und psychisch Kranke mit nach Hause gebracht – die sahen in mir eine Zuhörerin

  • Ich kann Kühe melken und Wolle spinnen

  • Im Sommer 2019 habe ich ein großes Kaninchengehege selbst gebaut, fuchssicher gemacht und gedämmt

  • Ich mag es, mehrere Jobs gleichzeitig in verschiedenen Branchen zu haben; das inspiriert, erdet und relativiert

Zuhören, verstehen, die richtigen Worte finden

Was ist ein guter Text? Einer, der dein Kopfkino anspringen lässt? Einer, der dich mitreißt und berührt? Einer der macht, dass du nach dem Lesen den „Ja, ich will“-Button klickst?

Seit 2010 arbeite ich als Texterin und Journalistin. In dieser Zeit habe ich viele Definitionen gehört, was ein guter Text ist. Es begann mit meinem Job in einer Lokalredaktion im Schwarzwaldstädtchen Waldkirch: Dort gab es einen älteren Herren mit karierter Mütze, der seinen wöchentlichen Gang über den Marktplatz gern damit abschloss, uns in der Redaktion besuchen zu kommen. Dann kommentierte er die letzten Zeitungsausgaben. Was er gar nicht mochte: Rechtschreib- und Tippfehler. Um Inhalte ging es dabei nie.

Etwas später rutschte ich per Zufall in einen Job als Texterin in einer Werbeagentur am Kaiserstuhl. Dort erklärte mir der Chef, ein Slogan solle sich möglichst reinem, damit die Menschen ihn in Erinnerung behalten. Das hatte er in einem Psychologiebuch gelesen.

Dann kam die Zeit der Online-Redaktionen. Und Faustregeln wie: »Texte fürs Web sollten immer um 30 % gekürzt werden«. Heute dürfen Texte fürs Web wieder lang sein – sofern die Struktur stimmt, sofern sie echten Mehrwert bieten. Man spricht jetzt über »Cornerstone Inhalte«, »High Performance Content« oder »Unique Content«. Bis heute begegnen mir immer wieder neue – und altbekannte – Definitionen und Regeln, wie ein guter Text sein soll. Für manche Menschen zählt die Form, für andere der Inhalt. Und wieder andere messen Textqualität an Klicks und Leads.

Für mich steht fest: Ein guter Text muss zum Absender passen! Mein Ziel ist es, dass Text und Sprache den Charakter von Organisationen, Marken oder Unternehmen zeigen – so wie die Stimme eines Gegenübers. Ich freue mich, wenn mein Auftraggeber sagt: »Ja, das sind wir, das fühlt sich echt an.« Das größte Lob für mich als Texterin: Wenn eine Headline, Story oder ein Kampagnen-Claim immer wieder aufgegriffen wird oder sogar in den Sprachgebrauch meiner Kunden übergeht.

Manchmal passt ein Text wie angegossen. Und manchmal ist noch Platz zum Reinwachsen. Wichtig ist, dass er nach innen wirkt, den Kern trifft, dass die Positionierung stimmt. Nur dann kann er auch nach außen wirken. Und überzeugen.

Und all das andere: Duzen oder siezen? Mit Sternchen gendern oder gar nicht? Lang, kurz, nüchtern oder werblich? Expertensprache oder lebendiges Kopfkino? Das ergibt sich daraus eigentlich von selbst …

Rebekka Sommer über Öffentlichkeitsarbeit Soziale Arbeit

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