Texter-Tipp: Schreib, wie du sprichst
Schreiben und Sprechen, das ist zweierlei: Wir reden, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Doch Schreiben ist für viele Menschen ein akademischer Akt. Je länger ein Kind zur Schule geht, desto abstrakter lernt es, zu formulieren. Und das ist wichtig, denn Sprache formt das Denken. Im Marketing wollen wir aber Beziehung herstellen! Und dafür brauchen wir eine lebendige, natürliche Sprache.
Lebendig texten ist gar nicht so leicht. Wir müssen uns dafür manches abtrainieren, was wir in Schule und Studium übers Schreiben gelernt haben.
Hier ein paar Beispiele, wie sich geschriebene und gesprochene Sprache unterscheiden:
- Wir sagen »auf« und schreiben »offen«
- Wir sagen »gucken« und schreiben »schauen«
- Wir sagen »egal« und schreiben »gleichgültig«
- Wir sagen »Mach’s« und schreiben »Mach es«
Wenn wir beim Schreiben von der gelernten Schriftsprache abweichen, fühlt sich das irgendwie komisch an. Doch es macht deine Texte natürlicher und sympathischer.
Also, mach’s kurz:
- Schreib »Kids« statt »Kinder«, »Info« statt «Information».
Nutze Verben:
- Vermeide abstrakte Substantivierungen wie »der Wille« oder »das Radfahren«. Mach lieber Verben draus: »Ich will« oder »Der Junge fährt Rad«. Hast du gemerkt? Sofort entsteht ein Bild vor deinen Augen.
Subjekt, Prädikat, Objekt:
- Halte dich beim Texten an diese Grundschulregel. Und meide das Passiv. So bringt du das Wesentliche auf den Punkt. So wird aus »Die Texte sollen lebendiger herüberkommen« der klare Satz »Ich will lebendige Texte«.
Fachsprache oder lebendige Sprache?
»Das ist ja alles schön und gut«, werden jetzt manche von euch sagen, »aber meine Zielgruppe sind Wissenschaftler*innen, Ingenieur*innen, Sozialarbeiter*innen. Die wollen Fachtexte und keine einfache Sprache.«
Und ihr habt Recht: »Einfache Texte« dürfen nicht »inhaltlich banal« sein. Fachsprache drückt Zugehörigkeit aus. Sprache schult das Denken und dazu braucht es manchmal Komplexität. Kommunikation wird kompakter, wenn du komplexe Zusammenhänge in einen Fachbegriff packen kannst. Und je besser ausgebildet deine Zielgruppe ist, desto werbekritischer ist sie vielleicht auch – und desto weniger attraktiv wirkt »Werbesprache« auf sie. Natürlich darf deine Sprache in einem Whitepaper oder Fachbeitrag etwas wissenschaftlicher oder komplexer klingen als auf Instagram.
Andererseits … Fachleute sind auch Menschen. Auch sie sind überflutet von tausenden Werbebotschaften, die täglich auf uns einprasseln. Auch sie müssen selektieren, welche Information sie aufnehmen und welche nicht. Auch sie treffen Entscheidungen aufgrund von Emotionen. Leichte, lebendige Sprache produziert im Kopf Bilder und Geschichten. Auch Fachleute merken sich Bilder und Geschichten leichter als Fakten
Es gibt keinen Unterschied zwischen Fachsprache und leichter, lebendiger Sprache! Niemand wird es dir übel nehmen, wenn es Spaß macht, deine Image-Broschüre oder Website zu lesen.
Warum Floskeln bequem sind und wie du sie vermeidest
Eine Bekannte bat mich neulich, einen Blick auf ihre neue Firmenwebsite zu werfen. Tat ich gerne. Was ich dort fand: eine Firmen-Chronik. Und Sätze wie »Wir verbinden Tradition und Fortschritt«. Solche Floskeln sind in vielen Unternehmen sehr beliebt. Irgendwie logisch, denn sie sind »ungefährlich«.
Niemand hinterfragt sie. Niemand stolpert drüber. Wir haben diese Sätze tausendmal gelesen. Aber es entsteht eben auch kein Bild im Kopf. Kein Nutzen, kein »Aha«. Das entspricht hundertprozentig der Duden-Definition einer Floskel: »nichtssagende, formelhafte Redewendung«. Genauso gut könnte auf der Website auch nichts stehen.
Gemeinsam überlegten meine Bekannte und ich, wie wir die Floskeln mit Inhalt füllen könnten.
- Hinterfragen. Was bedeutet Tradition? »Gemeinschaft und Zusammenhalt«, sagte meine Bekannte. »Werte weitergeben«, ergänzte ich. Mit Tradition kann zum Beispiel auch gemeint sein, dass ein Unternehmen zeitlos denkt und deshalb nicht von Trends und Moden abhängig ist. Du merkst es? Schon haben wir ein klareres Bild vor Augen, welche Geschichten und Beispiele wir zu »Tradition« erzählen könnten.
- Beispiele geben: Ein Beispiel für den »Fortschritt« kann die neue Maschinengeneration sein, die die Produktion schneller oder nachhaltiger macht. Oder die Solaranlage auf dem Dach. Im weiteren Sinne auch die Generation der Azubis. Oder dass es heute in der Geschäftsführung studierte Ingenieure gibt, während sie früher rein aus Handwerkern bestand. Wenn wir das auf der Website benennen und erzählen, brauchen wir die Floskel »Wir verbinden Tradition und Fortschritt« nicht mehr zu benennen.
- In einfachen Worten sagen: Beschreibe die Floskel so, dass deine Großmutter sie verstehen würde. Zum Beispiel: »Tradition, das heißt für uns, dass wir unsere Azubis beibringen, was wir selbst wichtig finden. Etwa, wie man mit Werkzeug sorgfältig umgeht. Oder wie man etwas von Hand macht. Oder dass wir das, was unsere Eltern geschaffen haben, nicht einfach so aufgeben. Aber wir führen diese Tradition auch weiter, auf unsere ganz eigene Art.«
- Einzelne Worte ersetzen. Aus »Wir verbinden Tradition und Fortschritt« wird zum Beispiel: »Wir verbinden klassisches Handwerk mit nachhaltigen Technologien« oder »Wir verbinden Ausbildung mit Werten« oder »Wir stärken unsere Beziehungen zu langjährigen Kunden, indem wir Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit anbieten.«
- Geschichten erzählen: Was erleben die Azubis? Was macht die junge Unternehmer*innen-Generation anders als ihre Eltern? Wie kam es zu der Solaranlage auf dem Dach? Wieso sparen langjährige Kunden durch die eingespielte Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Zeit und Geld? Wie neue Ideen darauf geprüft, ob sie den Werten der Unternehmensgründer standgehalten hätten?
All das sind nur Beispiele dafür, wie du aus Floskeln lebendige Geschichten machen kannst. Einige dieser Gedanken hat meine Bekannte schnell wieder verworfen, weil sie nicht zu ihrem Unternehmen passten. Andere hat sie in ihr Marketing übernommen. Und durch diese fünf Techniken hat sie sehr schnell eine Vorstellung bekommen, wie sie tote Sätze zum Leben erwecken kann.
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