Kann leichte Sprache schön sein, Anja Dworski?
rebekka-sommer2021-11-06T19:39:30+01:00Anja Dworski macht leichte Sprache beim Landesverband Lebenshilfe Sachsen e. V. Kann leichte Sprache schön sein, Anja Dworski? Leichte Sprache, einfache Sprache, verständliche Sprache: daran kommt heute in der Sozialen Arbeit keine*r mehr vorbei. Erst recht nicht, wer in sozialen Organisationen für PR oder Marketing zuständig ist. Die Texte in Flyern, Broschüren und auf Websites sollen für jeden verständlich sein. Anja Dworski arbeitet im Büro für Leichte Sprache der Lebenshilfe Sachsen. Dort schreibt sie schwierige Sachtexte so um, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten, also mit einer geistigen Behinderung sie verstehen. Ihre Aufträge kommen von Ministerien, Museen, Ämtern und Organisationen. Kennengelernt habe ich Anja bei einer Fortbildung der Hamburg School of Ideas, die Werbetexter*innen aus- und weiterbildet – denn ursprünglich arbeitete sie in der Werbung, so wie ich. Bei dieser Fortbildung beeindruckte uns Anja alle mit einem außergewöhnlichen Text: Es war eine Einladung zur Vernissage einer modernen Künstlerin, die mit Strumpfhosen tanzt. Ein abstraktes Thema, in leichte Sprache übersetzt. Trotzdem war die Ansprache schön und kunstvoll, ganz anders, als man es von leichter Sprache kennt. Wie das gelingt, erzählt Anja Dworski selbst. 5 Fragen an eine Texterin für leichte Sprache Anja, du hat deinen „kreativen Job“ für einen „sozialen Job“ aufgegeben. Verbindest du die beiden Welten? Anders gefragt: Kann leichte Sprache auch kreativ, poetisch und inspirierend sein? Anja Dworski: Wenn es nach mir geht, definitiv ja! Aber ich glaube, mit der Meinung stehe ich ziemlich allein da.Die leichte Sprache hat viele Regeln. Wenn man sich strikt an alle hält, ist mir der Informationsfluss oft zu zäh. Und manche Regeln machen die Sprache einfach unschön. Deshalb hinterfrage ich sie manchmal. Was sind das für Regeln, die die Sprache „unschön“ machen? Anja Dworski: Zum Beispiel sollte man in leichter Sprache immer das gleiche Wort für eine Sache benutzen. Also: Wenn ich in einem Text einmal von „Medikament“ rede, dann soll ich das durchgehend tun und nicht mal „Arznei“ und mal „Tablette“ schreiben. Darum sind Texte in leichter Sprache oft nicht sehr abwechslungsreich. Eine andere Regel ist, dass man den Genitiv möglichst weglassen soll. Ich finde jedoch, man kann ihn mit Fingerspitzengefühl doch einsetzen! Alle meine Texte in leichter Sprache werden von Menschen mit Lernschwierigkeiten geprüft. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass der Genitiv sehr wohl verstanden wird. Wichtig ist, diese typische Amtssprache zu vermeiden: „Der Ausschuss des Wahlkreises des Landkreises hat beschlossen, dass …“ Solche Texte sind schwer zu verstehen. Wie gehst du vor, wenn du Texte in leichte Sprache übersetzt? Anja Dworski: Ich unterscheide erstmal zwei Arten von Texten: „schwierige Sachtexte“ und „kreative Texte“. Schwierige Sachtexte kommen zum Beispiel vom Justizministerium. Da ist es meine Aufgabe, die ursprünglichen Texte zu „entschlacken“. Ich gucke also ganz pragmatisch: Was könnte Otto Normalverbraucher an einem Thema wie „Vorsorgevollmachten“ interessieren? Was ist Vorsorge – und was muss ich dafür tun? Spitzfindigkeiten oder juristische Fachbegriffe lasse ich möglichst weg, denn